10 Tipps zum Umgang mit der Angst in Krisenzeiten

10 ganz konkrete Tipps für die sofortige Anwendung. Für diesen Gastbeitrag bedanken wir uns ganz herzlich bei Prof. Dr. Mike Hoffmeister – Glücksforscher

Ausgangssituation

In den letzten Jahren müssen sich junge Menschen mit vielen Krisen auseinandersetzen:

  • Syrienkrise und die damit zusammenhängende Flüchtlingswelle
  • Corona-Pandemie und die Vereinsamung von Studierenden (reine Online-Lehre über zwei Jahre)
  • Klima-Krise mit den konkreten Auswirkungen (Ahrweiler-Katastrophe; Überschwemmungen,Waldbrände)
  • Ukraine-Krise mit der größten humanitären Katastrophe in Europa seit dem zweiten Weltkrieg


ACHTUNG Wichtige Anmerkung!

Diese Empfehlungen richten sich AUSDRÜCKLICH an PSYCHISCH GESUNDE junge Menschen und haben zum Ziel, das psychische Wohlbefinden in Krisenzeiten zu unterstützen!

Negative Auswirkungen auf die Psyche

  • Krieg wird als diffuse Bedrohungslage wahrgenommen.
  • Körper und Geist schalten in einen latenten Alarmzustand.
  • Dies führt zu: Kontrollverlust, Machtlosigkeit, Ohnmacht, Konzentrationsschwierigkeiten, Sorgen,Grübeln, Ausweglosigkeit, Schlaflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Stress, Aufleben von alten Kriegs- und Flüchtlingserlebnissen bei älteren Menschen und Flüchtlingen.

Funktion der Angst

  • Angst blockiert das klare Denken und lässt rationale Entscheidungen kaum noch zu.
  • “Angst brauchen wir, Angst ist ein Ratgeber.” Angst warnt vor Gefahren, denn es geht umschnelles Handeln, um auf eine gefährliche Situation zu reagieren.

Die 10 Tipps

1. Kritische Nutzung von Social Media

Social Media-Algorithmen stellen auf Emotionen und Klicks ab und unterstützen die einseitige, undifferenzierte Informationsverbreitung. Berichte, Videos und Fotos, die vor allem negative Emotionen hervorrufen werden auf den Plattformen durch die Algorithmen bevorzugt. Darauf achten, ob die Quellen glaubwürdig sind oder es sich um Fake-News handelt. Auf jeden Fall vermeiden, verstörende Videos anzusehen. Kontakte, die Fake News verbreiten, sperren und dem Provider sofort melden.

2. Medienkonsumverhalten regulieren

Nachrichten verstärken Angst und Sorgen. Deswegen den Konsum von Nachrichten und politischen Talk Shows auf ein minimales Maß reduzieren. Wenn die Nachrichtenflut zu belastend wird, genügt es, sich ein- oder zweimal am Tag zu informieren, statt die Meldungen in Dauerschleife zu konsumieren. Dafür Zeitfenster morgens und mittags setzen. Abends keine Nachrichten schauen. Pausen als Ruheort planen, damit die Psyche zu Kräften kommt und sich erholen kann.

3. In Kontrolle bleiben und Tagesstruktur schaffen

Tagesstruktur gibt Orientierung und Sicherheit. Man sollte den Alltag so normal wie möglich weiterführen und vor allem mit anderen Menschen offen über seine Empfindungen – Ängste, aber auch Hoffnungen – sprechen. Es ist in Ordnung, wegen der Tragik und den schrecklichen Ereignissen, das eigene Leben weiterzuleben – ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.

4. Die Gemeinschaft suchen

In Zeiten globaler Bedrohungen ist das Gefühl, damit nicht allein zu sein, sehr wichtig. Menschen sind soziale Wesen, leben in Netzwerken und brauchen die Gemeinschaft. Isolation und Alleinsein machen Menschen für Ängste empfänglicher; Angst mit anderen Betroffenen und Freunden teilen. Sich persönlich mit Freunden treffen, telefonieren oder auch schreiben. Solidarität, Kommunikation und Gemeinschaft wirkt sich positiv gegen Angst und Hilflosigkeit.

5. Active Agent werden

In der Krise andere Menschen unterstützen – je nach meinen persönlichen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Sach- und Geldspenden, ehrenamtlich als freiwilliger Helfer arbeiten; Charity-Projekte organisieren, etc.

6. Emotionen regulieren

Jedes sinnvolle Handeln zugunsten persönlich wichtiger Dinge drängt die Angst in den Hintergrund. Aber: die Angst nicht verleugnen oder bagatellisieren. Die Angst einordnen und nicht ignorieren. Mit Freunden darüber sprechen: Was betrifft mich tatsächlich? Welche Bedrohung ist real? Schreiben ist aufwändiger, wirkt jedoch genau deswegen auch stärker. Wer seine Gedanken aufschreibt, bekommt nicht nur das Denken klarer, sondern auch die Gefühle! Gespräche und Kontakte mit Kriegsleugnern vermeiden.

7. Auf die eigene Selbstfürsorge achten

Sich darauf besinnen, was mir guttut. Es ist ok, nicht auf schöne Dinge zu verzichten: „Man darf auch lachen und Freude haben, obwohl in der Ukraine Krieg ist.“ Ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Ins Kino gehen. Spaziergänge machen, Kochen, mit Freunden treffen. Tanzen in Clubs, etc.

8. Auf die Gesundheit achten

Lange Spaziergänge, Sport treiben, etc. Ein physisch gesunder Körper fördert auch die psychische Gesundheit. Achtsamkeitsübungen schaffen Klarheit im Kopf und wirken sich positiv auf das Urteilsvermögen aus. Gesunde Ernährung fördert das Wohlbefinden. Alkoholkonsum einschränken.

9. Sich auf das Positive konzentrieren

Dankbarkeit empfinden, dass man in einem demokratischen Land lebt, in dem kein Krieg herrscht. Sich immer wieder positive Ereignisse bewusstwerden. Rettung von Menschen. Die Erleichterung von Geflüchteten. Dankbar sein für das, was man hat bzw. wer man ist. Abends ein Glückstagebuch schreiben:
(a) Schreiben Sie jeden Abend, Erlebnisse auf, für die Sie dankbar sind bzw. die Sie glücklich machten – trotz der Krise
(b) was Sie dazu beigetragen haben und
(c) wem Sie dafür heute besonders dankbar sind – und warum.
Wichtig: mindestens 60 Tage lang! Wissenschaftlich Studien haben belegt, dass sich hierdurch das psychische Wohlbefinden nachhaltig verbessert.

10. Unterstützung und Hilfe suchen

Sehr wichtig: Falls dies alles nicht hilft, dringend professionelle Hilfe suchen, um die Krise seelisch zu bewältigen (z.B. Therapeuten, Telefonseelsorge, Hausarzt, Angst-Ambulanz).


Ich hoffe, dass ich mit dieser Zusammenfassung von Expertenempfehlungen einen kleinen Beitrag zum Wohlbefinden von jungen Menschen in Krisenzeiten leisten kann.

Wolfsburg / Berlin, 17. März 2022
Prof. Dr. Mike Hoffmeister

Auswertung und Zusammenfassung der Empfehlungen in der aktuellen Presse von Wissenschaftlern, Psychologen und Ärzten der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie, der Technischen Universität Dresden, der Universität Bochum, der Universitätsklink Bonn, der Traumaambulanz Klinik Göttingen, der Universitätsklinik in Ulm, des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., der Corporate Happiness GmbH, der Action for Happiness Organisation, des Greater Good Science Center der University of California Berkeley, USA

Photo by Yoann Boyer on Unsplash